Die Welt der Superhelden kommt nicht zum Durchatmen. Während sich alle noch angeschlagen vom zweiten Superheldenkrieg, die Wunden lecken, kämpfen an anderer Stelle die Mutanten gegen die Inhumans. Es geht um nicht weniger als das nackte Überleben. Doch im Schatten dessen keimt eine Gefahr heran, die all das in den Schatten stellen dürfte. Der strahlende Held, das Symbol für Freiheit und höchste moralische Integrität, Captain America, spinnt im Verborgenen eine Intrige, deren einziges Ziel, die Vernichtung der Welt, wie wir sie kennen, ist.
Es ist schmerzlich zu sehen, wie die Terrororganisation Hydra ihre Finger im Spiel hat, wenn es bei S.H.I.E.L.D. heiß her geht. Die inzwischen nicht mehr tragbare Maria Hill wird vom Senat als Direktorin abgesetzt und es ist an Cap, einen Nachfolger zu bestimmen. Natürlich hat er einen Vorschlag, der seinem Plan direkt in die Hände spielt. Wie bereits bei den beiden Vorgängern, ist auch dieser Band durchsetzt von Einblicken in Caps (neue) Vergangenheit. Zur Erinnerung: Ein Splitter des Cosmic Cube, Kobik, hatte auf Wunsch des Red Skull die Originstory von Steve Rogers zu seinen Gunsten geändert, weswegen Captain America wohl zum geheimsten Doppelagenten in der Geschichte von Hydra wurde.
Der Leser erfährt erneut, wie aus dem schmächtigen, kleinen Mann, der strahlende Held wurde, den heute jeder kennt. Wie er auf Dr. Erskine traf, den er eigentlich im Auftrag von Hydra umbringen sollte und wer sein neuer bester Freund ist: Helmut Zemo. Genau der, der über viele Jahrzehnte der Erzfeind von Steve Rogers war. Nur dieser bekannte Cap scheint nicht länger zu existieren – könnte man meinen. Doch immer wieder fallen Sätze, die darauf schließen lassen, dass eine Art Spaltung der Persönlichkeiten stattgefunden hat. Ob dem so ist, wird sich wohl erst im kommenden Secret Empire Event zeigen.
Besonders interessant ist die farbliche Gestaltung der Panels. Während in den beiden bisherigen Ausgaben die Sequenzen der Vergangenheit noch in seichten rot-braun Tönen gehalten wurden, sind sie nun durchsetzt von grünen Elementen. Eben jenem grün, welches das aktuelle Logo der Terrorvereinigung trägt. Auch hier schlägt sich wieder das omnipräsente Thema der Veränderung nieder.
Alles steuert unaufhaltsam auf Secret Empire zu, mit einem ruchlosen, aber integeren Captain America. Während Captain Marvel und Maria Hill versuchen die Welt mithilfe einer neuartigen Technologie vom Rest des Universums abzuschotten, bekommt Shield einen neuen Direktor. Und nein, es ist nicht Phil Coulson. Dazu erfahren wir viel mehr über das Wesen des (neuen) Steve Rogers und welche Ängste, Wünsche und Visionen ihn zum Handeln bewegen.
Apropos: Der Civil War II – Ausläufer „The Oath“ ist in dem vorliegenden Band ebenfalls enthalten, welche neben schmerzhaften Erinnerungen an den ersten Superheldenkrieg zwischen Cap und Tony, auch einen saftigen Monolog beinhaltet, welcher den Leser durchaus aufrütteln könnte. Gerade dieser Einwurf verdeutlicht die wahren Motivationen des Hydraagenten und lassen den geneigten Zuhörer mit der Frage alleine, ob er denn nicht vielleicht doch Recht hat…
Fazit
Nick Spencers Vision von Captain America mag ihre Kritiker haben. Mich jedoch überzeugt die Story bislang auf ganzer Linie. Denn obgleich die Figur um 180 Grad gedreht worden sein mag, ihre inneren Überzeugungen und Motivationen sind beinahe unverändert, wodurch einmal mehr deutlich wird, das Recht und Unrecht immer eine Frage der Perspektive sind. Das große Finale scheint unaufhaltsam und entsprechend heiß bin ich auf das vorerst letzte große Marvel Event Secret Empire, welches am 13.01. bei uns startet. Die Serie bleibt weiterhin eine Leseempfehlung!
Story: 9.0/10 ● Zeichnungen: 9.0/10
Gesamt: 9.0/10