Ladies, Gentlemen und alle Träger des X-Gens, herzlich willkommen zur ersten Buchreview auf MBD World. Cross Cult hat nämlich nicht nur spannende Comicpublikationen im Sortiment, sondern auch Romane. Unter dem Label „Heldinnen“, präsentiert der Verlag den den ersten Band einer neuen Romanreihe, welche wir euch gerne näher vorstellen möchten. In nicht allzu ferner Zukunft erscheinen mit Legenden von Asgard: Der Kopf von Mimir und Xaviers Institut: Freiheit und Gerechtigkeit für alle, zwei weitere Romanauskopplungen des bekannten Marvel-Kosmos.
Doch bevor wir uns dem vorliegenden Buch und seinem Inhalt widmen, möchte ich eine Warnung aussprechen. Die Bücher bedienen sich zwar dem allseits bekannten Marvel-Universum und den Figuren darin, spielt aber in seiner ganz eigenen Realität. Ich würde daher empfehlen, sie als „What if…?“ oder alternatives Universum zu betrachten. Inwieweit die kommenden Bücher dann so etwas wie einen „Buchkosmos“ einläuten, kann ich nicht beurteilen. Persönlich schätze ich aber die Freiheit, individueller Werke, die für sich stehen. Nun, da das geklärt ist, lasst uns [endlich] über das Buch sprechen.
DOMINO AUF ABWEGEN
Die scharfsinnige, glücksmanipulierende Söldnerin Domino stellt sich in diesem explosiven Roman sowohl einem gefährlichen Kult als auch ihrer dunklen Vergangenheit.
Der Auftrag: Die Sekte eines Chicagoer Hochstaplers infiltrieren und ein gehirngewaschenes Zwillingspaar befreien. Die Antwort der ehemaligen X-Force-Agentin Domino: Nein. Fanatiker bedeuten bloß Ärger. Sie hat noch immer Albträume wegen Projekt Armageddon, das Supersoldatenprogramm, das ihr Leben und ihre Familien zerstört hat. Wenn sie doch damals nur jemanden gehabt hätte, der ihr geholfen hätte, jemanden … wie sie. Vielleicht wird es Zeit, sich den Dämonen zu stellen. Mit ihren wahrscheinlichkeitsmanipulierenden Superkräften sollte sich doch alles zum Guten wenden lassen.
Spätestens seit Deadpool 2 ist die Mutantin Neena Thurmann mit dem markanten Muttermal am Auge auch bei allen Nicht-Comiclesern ein Begriff. Ihre „Superkraft“ ist so schwer zu erklären, wie originell, denn sie hat, vereinfacht gesprochen, Glück. Glück, das, wie sie selbst sagt, auf sie aufpasst. Dass das aber nicht immer gut sein muss, und welche Folgen das für Personen in ihrem Umfeld haben kann, zeigt der Roman auf seinen kurzweiligen 400 Seiten. Domino fungiert dabei selbst als Erzählerin, die keinen Hehl darum macht, dass sie unzuverlässig ist. Gleich zu Beginn macht die Titelheldin dem Leser klar: Sie ist keine Heldin. Zwar rettet sie manchmal die Welt, aber wenn, dann nur aus eigenen Motiven und selten aus reinem Altruismus.
Aber worum geht es denn in dem Roman von Tristan Palmgreen eigentlich?
Domino schlägt sie sich in ihren 20ern als knallharte Söldnerin durch, die ein Team von Gleichgesinnten um sich gescharrt hat. Deswegen nagt sie aber keineswegs am Hungertuch. Sie ist gut in ihrem Job und dessen ist sie sich bewusst, weswegen sie nur die Aufträge annimmt, die ihr zusagen (und Geld bringen). Und genau damit beginnt ihre Geschichte. Eine Frau bittet Domino, ihre Kinder aus den Fängen einer Sekte in Chicago zu befreien. Obwohl sie sich erst dagegen entscheidet, nimmt sie den Auftrag schlussendlich aber an. Zum einen, weil es der Plot nun mal verlangt, zum anderen, weil sie eine persönliche Verbindung zu dem Fall sieht. Eine Verbindung, die weit in ihre Kindheit ragt. Und glaubt mir, diese Kindheit war alles andere als schön.
Die Erzählung nimmt den Leser sprunghaft und episodisch in drei Zeitebenen mit, die auf besondere Weise miteinander verwoben sind, aber vor Allem zeigen, wer die charismatische Mutantin ist und was sie dazu gemacht hat. So führt uns ein Erzählstrang in ihre Kindheit, ein anderer in ihre Jugend. Beide durchsetzen die Gegenwartgeschichte um die zunächst recht generisch wirkende Rettungsmission, wodurch der Autor Domino mit jedem Versatzstück etwas besser charakterisiert.
Anachronistische und episodenhafte Erzählungen sind ein beliebtes Mittel um Dynamik und Spannung zu erzeugen oder zu steigern. Sie haben aber auch den Nachteil, dass die Geschichte dadurch schnell chaotisch, unnötig kompliziert und verwirrend wirken. Gerade Gelegenheitslesern könnte es dadurch etwas schwerer fallen, dem Sog der Geschichte zu erliegen, denn obwohl der Plot so gewöhnlich daherkommt, wartet er mit einigen überraschenden Wendungen und Erkenntnissen auf. Ebenso glänzt das Buch mit einer Reihe an interessanten, wie auch liebenswerten Figuren auf. Neben Domino selbst, sei da vor allem die Figur des Pater Boschelli genannt. Lediglich bei den Antagonisten, kommt Autor kaum über die erste Dimension hinaus. Natürlich hat jeder, der drei Erzählstränge einen eigenen Gegenspieler, die jedoch vollkommen blass und klischeehaft bleiben. Schon wenige Tage, nachdem man das Buch beiseite gelegt hat, ist keiner der Schurken, im Gedächtnis verblieben. Zyniker könnten darin eine Verbindung zum Marvel Cinematic Universe sehen.
Fazit: Der US-amerikanische Autor Tristan Palmgreen erzählt in Domino – Auf Abwegen eine Geschichte die nicht nur mit viel kerniger Action, sondern auch Einblicken in die Psyche einer jungen Frau mit einer harten Vergangenheit glänzt. Sprachlich bleibt er dabei stets zugänglich und einfach. Man kann das Buch selbst dann wunderbar lesen, wenn man von der Figur nichts weiß. Vorwissen ist nicht erforderlich, was es besonders einsteigerfreundlich macht. Palmgreen schafft es dabei, das Gefühl eines Comics zu erzeugen, ohne auf die grafische Komponente zurückgreifen zu können.
Da die episodenhafte Erzählung gerade zu Beginn etwas sperrig wirkt, spreche ich nur eine bedingte Empfehlung aus. Wer damit kein Problem hat, kann beherzt zugreifen, denn Domino – Auf Abwegen ist ein kurzweiliger und unterhaltsamer Roman, den man prima in einem Urlaub am Strand weglesen kann.
Erstveröffentlichung
05.04.2021
Format
Roman
Seiten
400
Autoren
Tristan Palmgreen
Storys
Domino: Strays